Wenn Gewalt die Antwort auf friedlichen zivilen Ungehorsam ist

Wir sind friedlich, was seid ihr?

Das AugustRiseUp war prall gefüllt mit Aktionen und zivilem Ungehorsam. Leider kam es dabei auch zu Übergriffen der Polizei und Fällen von erheblicher Gewalt in der GeSa. Media- und Legalteam sowie Trauma-Support dokumentieren und arbeiten die Fälle auf. Ihr seid nicht allein!

Wir, das Media Team des AugustRiseUp-Bündnis sind erschüttert von Berichten über teilweise gewaltvolle Vorgehensweisen von Polizist:innen gegen friedliche Aktivist:innen. Sie wurden in Blockaden geschubst, an den Haaren gezogen oder auf Hände und Füße getreten. Mindestens drei erfuhren erhebliche Polizeigewalt in Gewahrsamnahme. 

Das Legalteam des Bündnisses dokumentiert die uns bekannten Fälle und prüft sie auf mögliche rechtliche Verfahren. Trauma-Support und Anlaufstellen stehen den Betroffene weiterhin zur Verfügung (Details am Ende des Artikels). 

Bereits am Montag, dem 16.8.2021, wurde klar, dass das Bündnis bei dieser Protestwoche einem bisher nicht gekannten Polizeiaufgebot gegenüberstehen würde. Die Gewerkschaft der Polizei bezeichnete im Vorfeld die Pläne über den Einsatz aller verfügbaren Hundert- und fünf Alarmhundertschaften während der Aktionswoche als „absoluten Wahnsinn“. Es müsse „tausendfacher Begleitschutz für Klimaaktivisten“ gegeben werden, oft ohne dass eingegriffen werden müsste. [Berliner Zeitung]

Nach der Auftaktaktion am Montag landeten mindestens 52 Aktivisti in der Gefangenensammelstelle (GeSa). Mehrere von ihnen kamen nach teils vielen Stunden traumatisiert aus der GeSa, eine Person brach völlig zusammen und musste im Krankenhaus behandelt werden. Diese Vorfälle müssen die zuständigen Teams für weitere juristische Schritte sorgfältig dokumentieren und durchdringen. Deshalb gehen wir hier nicht auf Details ein, die teilweise schon bei Social Media erschienen sind. Die Teams sind bereits in diese Arbeit eingestiegen und werden alles tun, um den Betroffenen zu helfen – sowohl rechtlich, aber auch bei der persönlichen und emotionalen Verarbeitung.

Im Laufe der Woche erreichten uns Berichte über weitere Fälle von fragwürdigem Verhalten von Polizeibeamt:innen bei Aktionen. So gingen etwa Polizist:innen unsachgemäß gegen Aktivist:innen vor, deren Hände oder Füße mit Sekundenkleber auf der Straße festgeklebten waren. Polizist:innen traten ihnen auf die Hände oder rissen diese ohne jegliche Lösungsmittel vom Asphalt.

Hinter einigen Aktivist:innen liegen traumatisierende Tage und das Bedürfnis nach einer transparenten Aufarbeitung ist groß. Daher hielten wir am Dienstag, 17.8.2021, nach dem großen Klimaprotestzug kurzfristig eine offene Versammlung ab. Betroffene berichteten dort in Kleingruppen von ihren persönlichen Erfahrungen. Knappe Wortmeldungen gab es über Lautsprecher an die gesamte Versammlung. Auch das Verhalten der Aktivist:innen wurde reflektiert. Das Legalteam wies darauf hin, dass das Verhaltens seitens der Polizei in dieser Form nicht absehbar gewesen sei, da in gemeinsamen Gesprächen eine deeskalative Haltung angekündigt war. Kleingruppen besprachen daraufhin mögliche Vorgehensweisen für die folgenden Tage, insbesondere mit Blick auf die Kommunikation mit der Polizei. Die Versammlung entschied sich dafür, weiter die Kommunikation mit der Polizei aufrechtzuerhalten, dabei aber deutlich zu machen, dass bei den Gewaltvorfällen Absprachen gebrochen worden seien und wir besonneneres Handeln wünschen.

Wir laden alle Aktivist:innen ein, die professionelle Hilfe unserer Anti-Repressionsstrukturen und vorhandene Anlaufstellen zu nutzen (Kontakte sind unten aufgelistet). Das Legalteam sammelt weiterhin Videos, Fotos und Gedächtnisprotokolle. Ihr könnt außerdem Stellungnahmen von approbierten Psychotherapeut:innen einholen und einbringen. Gegebenenfalls geben Gerichte psychologische Gutachten in Auftrag. Das Team „emotionaler Support“ nimmt sich Zeit und Raum für alle Teilnehmer:innen der Aktionswoche. Bei akuten, schweren oder bei anhaltenden Belastungsreaktionen bieten die Psychologists for Future (Psy4F) professionelle Hilfe speziell für Aktivist:innen an.

Allen Beteiligten und Betroffenen gilt unsere tiefste Solidarität und Wertschätzung für ihren Einsatz und den emotionalen Kraftakt. Nehmt euch Raum zum Aufarbeiten und Verarbeiten.

Kontakte

Legalteam
Wenn du Polizeigewalt erfahren hast, kannst du dich über den Messengerdienst Wire bei @xrlegalde oder per Mail (am besten verschlüsselt) an legalteam@extinctionrebellion.de / PGP Key an uns wenden und mit uns gemeinsam die Optionen und Risiken abwägen, die eine Anzeige mit sich bringen kann.

Emotionaler Support
Auf dem Klimacamp im Awareness-Zelt hängt ein Schichtplan und es gibt auch einen Telegram-Channel als Anlaufstelle.
Bis Montag 23. August um jeweils 10 Uhr am/im Awarenesszelt auf dem Klimacamp (westlich vom HKW) bieten die Psychologists for Future professionelle, traumasensible Begleitung für diejenigen an, die in den letzten Tagen Polizeigewalt erlebt haben. Es wird zunächst in einer Gruppe Unterstützung angeboten, und es wird danach auch die Möglichkeit für Support im 1:1 Kontakt geben. Es wird dabei um Stabilisierung gehen, nicht so sehr darum das Erlebte nochmal zu erzählen.
Außerdem gibt es dort Informationen für Möglichkeiten der Weiterbetreuung, auch nach dem Camp/RiseUp.

Psychologists for Future
Bei anhaltenden Belastungsreaktionen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, bspw. beratung@psychologistsforfuture.org – mehr dazu auf https://www.psychologistsforfuture.org/unterstuetzung-fuer-engagierte/

Presseberichte zu den Vorfällen

„Schwere Vorwürfe gegen Polizeibeamte“ auf heise.de

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